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    Tollwood am 27. Juni 2022 im Andechser Zelt

    Über uns

    Nach unseren ersten Auftritten bei Geburtstags- und House Warming-Parties sorgte eine wachsende tanzwütige Fangemeinde dafür, dass sich unsere Konzerte immer öfter auf die öffentlichen Bühnen Münchens verlagerten: u.a. auf dem Tollwood Festival, auf Stadtteil- und Straßenfesten, beim Schwabinger Weihnachtsmarkt, sowie im Umfeld der Münchner Theaterszene, so in der Pasinger Fabrik, beim Theaterfest im Blauen Haus der Kammerspiele und bei Residenztheater Sommerfesten.

    Baba Anarchia besteht aus Gesang, Gitarre, Trompete, Posaune, Bass, Schlagzeug, Akkordeon, Balalaika. Bei Konzerten wird die Band auch von Gastmusikern unterstützt.


    Ein Gespräch mit Igor, Sänger und Gitarrist

    Auf eurer Website schreibt ihr, dass eure Musik ihre Wurzeln in der Liedermachertradition hat. Was ist das?

    „Ispalnitili Avtorskoj Pesni“ heißt übersetzt „Sänger des Autorenlieds“ – heute würde man vielleicht Singer-Songwriter sagen. In der Sowjetunion nannte man sie auch Barden. 

    Diese Liedermacher schrieben ihre eigenen, oft sehr poetischen und allegorischen Liedtexte und sangen sie zur Gitarre. Sie waren in der Sowjetunion ein wichtiges Sprachrohr, weil sie ästhetisch nicht den Vorstellungen der Kulturpolitik folgten und weil sie vom Leben abseits der offiziellen Version erzählten oder politische Kritik übten. Zum Teil speisten sich die Texte auch aus den „Blatnaja pesnja“, den Liedern aus dem kriminellen Milieu, der Unterwelt.

    Wo waren die Berührungspunkte von Poesie und Unterwelt?

    Es gab für Subkultur keinerlei Möglichkeit, Musik zu veröffentlichen. Deshalb entstand der Begriff „Dwornaja pesnja“ – Hoflieder: In den Höfen der Mietshäuser wurden Lieder nachgesungen und weitergegeben und da vermengen sich die Welten. „Kwartirniki“ wiederum sind Treffen in Privatwohnungen, bei denen eigene Lieder vorgespielt wurden.

    Also fand Verbreitung nur von Interpret zu Interpret statt?

    Ja, und wenn jemand, was selten vorkam, ein Kassettengerät hatte, konnte man ein Lied aufnehmen; wenn man diesen Mitschnitt vervielfältigen wollte, musste man ein zweites Aufnahmegerät finden. Das Lied wurde dann einfach in einem ruhigen Raum abgespielt und auf dem zweiten Gerät auf „Aufnahme“ gedrückt – das heißt, die Qualität nahm bei jeder Kopie ab. Man sagt, dass man die besten Lieder in der schlechtesten Qualität zu hören bekam, weil die Aufnahmen so oft kopiert worden waren.

    Dann gab es „Slöt Avtorskoj Pesni“ – Bardentreffen, die oft in der Natur stattfanden. Das war eine Mischung aus Zeltlager und Festival, die Menschen reisten mit ihren Gitarren an und spielten am Lagerfeuer die Lieder der Barden sowie eigene Songs. Bei diesen Treffen kamen manchmal zehntausende Menschen zusammen.

    Obwohl die Barden zur Subkultur zählten, wurden einige sehr bekannt: Wladimir Wyssozki, Bulat Okudschawa, Juli Kim, Veronika Dolina, Yuri Vizbor, Alexander Galich.

    Galich wurde wegen seiner politischen Texte dazu gedrängt, die Sowjetunion zu verlassen. Er ging über eine Station in München nach Paris und starb dort an einem Stromschlag beim Reparieren eines Kassettenrekorders. Darüber gibt es natürlich Spekulationen.

    Du bist ja aber in München aufgewachsen. Wie bist du hier mit dieser Kultur in Berührung gekommen, die es ja schon in der Sowjetunion schwer hatte, ihre Wege zu finden?

    Das hat begonnen, als ein früherer Schulfreund meiner Schwester für drei Monate in München hängengeblieben ist, weil er keine Rückfahrkarte hatte. In dieser Zeit hat er mir die ersten Lieder beigebracht. Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bin ich dann selber zu einem Bardentreffen in der Nähe von Moskau gefahren.

    Und Wladimir Wyssozkis und Bulat Okudschawas Lieder kannte ich schon von Kassetten und Platten. Das waren ungeheuer populäre Künstler in der Sowjetunion und ihre Musik wurde  letztlich dann auch offiziell veröffentlicht.

    Spielt ihr solche Autorenlieder bei euren Konzerten?

    Ja, wir haben viele im Repertoire, aber wir spielen die auf unsere eigene Art und gehen mehr in die Ska- und Balkanrichtung. Der Charme der Autorenlieder ist natürlich stark mit den Texten verbunden und lässt sich einem nicht-russischsprachigen Publikum nicht so leicht vermitteln. So verwandele ich sie in mitreißende Tanzmusik.  Das verursacht Puristen und Kennern sicherlich Schmerzen, aber sie nicht zu spielen, verursacht wiederum mir Schmerzen. Tanzmusik deshalb, weil ich finde: In einer Welt, in der uns vieles trennt und wir oft in die Vereinzelung getrieben werden, hat es großen Wert, zusammenzukommen und zu tanzen.

    Und eure anderen Songs?

    Wir spielen ein paar von der Band Kino, an der man schlecht vorbei kommt, weil die Lyrics von Viktor Zoi einzigartig sind. Ihre Tiefgründigkeit versteckt sich in oft scheinbar banalen Beschreibungen. Zoi war einer der wenigen Rockstars der UdSSR. Auch diese Songs haben wir neu arrangiert.

    Und natürlich gibt es selbstgeschriebene Songs: Für „Poet“ haben wir ein Gedicht von 1872 vertont; das war in Reaktion auf den Einmarsch in der Ukraine und die darauf folgende demonstrative Ablehnung von russischsprachiger Kultur. Nekrassow schreibt: „Zeitalter von Blut und Schwert, du hast … den Schlächter zum Helden erkoren … Die Masse brüllt: Die Welt braucht keine Barden mehr!“ Wo ist die Kunst, die uns noch etwas sagen kann, fragt dieses Gedicht.

    Der Song „Balkanroute“ handelt davon, wie sich seit 2015 viele Menschen nach Europa gerettet haben und weiterhin kommen und wie ich mich wundere über die Reaktionen, die ihnen hier immer mehr entgegen schlagen. Das macht mir unsere Welt fremd!

    Wir spielen auch einzelne russisches Volkslieder, wie „Korobejniki“, das hierzulande als „Tetris“-Melodie bekannt ist; dazu habe ich einen Songtext geschrieben, eine Tierfabel. Da geht es um einen Igel, der nach Hause geht. Der Igel ist ja eigentlich ein recht harmloses Tier, das versucht, sich durch Einkugeln zu schützen, während es um ihn herum reißerische Wölfe und Füchse gibt. Dieser Igel macht sich da aber keine großen Sorgen, sondern fürchtet sich mehr vor Autos und Straßenbahnen. Deswegen überlegt er, ob er über die Straße oder doch lieber in die Kneipe ums Eck gehen soll. Über den Sinn dieser Fabel kann man sich an einem anderen Ort unterhalten.


    Audio

    Mouraweijnik – Kino
    Ot Winta – Baba Anarchia
    Der Poet – Baba Anarchia
    Tetris – Traditional / Baba Anarchia

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    Impressum

    Igor Belaga
    Oskar-Maria-Graf-Ring 3
    81737 München

    e-Mail: info@baba-anarchia.net


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